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Dauner // Dauner Elektronische Mythen


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Zu früh? Zu spät? Rechtzeitig! Als das Wünschen noch geholfen hat. „Ich war immer entweder zu weit vorne in der Musik, was auch nicht immer ein Vorteil ist, oder bestimmte Ereignisse kamen einfach zu spät, sodass ich sie [...]

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Dauner // Dauner Elektronische Mythen


Produktbeschreibung:

Zu früh? Zu spät? Rechtzeitig! Als das Wünschen noch geholfen hat. „Ich war immer entweder zu weit vorne in der Musik, was auch nicht immer ein Vorteil ist, oder bestimmte Ereignisse kamen einfach zu spät, sodass ich sie nicht so effektiv gestalten konnte, wie ich mir das gewünscht hätte.“ Dieser so lakonische wie – bei näherem Hinlesen – auch verrätselte Satz, der etwas unvermittelt im Kapitel „Preise und Stipendium“ von Wolfgang Schorlaus Dauner-Biografie „Das brennende Klavier“ auftaucht, kann in den Sinn kommen, wenn man den Live-Mitschnitt „Elektronische Mythen“ vom 20. Oktober 2015 im Kunstmuseum Stuttgart hört. Bekanntlich gehörte Wolfgang Dauner um 1970 wie Richard Teitelbaum, Paul Bley oder Sun Ra international zu den vom Jazz kommenden Pionieren, die experimentelle Klangforschung mit elektronischen Keyboards betrieben. Dass Dauner sehr früh stolzer Besitzer eines zentnerschweren Synthi 100 wurde, bescherte ihm Begegnugen mit neugierigen Grenzbeamten und später mit neugierigen Kollegen wie Keith Emerson, Joe Zawinul und Wayne Shorter. Es waren Jahre des Aufbruchs, als Miles Davis im offenen Sportwagen durch New York fuhr und dabei Stockhausens Tape-Manipulationen hörte, als in Düsseldorf und Köln Kraftwerk und Can ihre spezifische Spielart von Krautrock entwickelten. Das Experimentieren mit und Erforschen der Möglichkeiten elektronischer Musik war aufregend, aber zumal unter Live-Bedingungen auch frustrierend. Konrad Heidkamp hat diese Erfahrung im Zusammenhang mit den gleichzeitig stattfindenden Experimenten von Paul Bley und Annette Peacock einmal auf den Punkt gebracht: „Es gab keine Gebrauchsanleitung, keinen, der helfen konnte, die verschiedenen Klänge und Effekte zu finden. Versuch und Irrtum, Knopf um Knopf, Regler für Regler, eine Million Variationsmöglichkeiten. Dazu kam die Schwierigkeit, dass sich der Moog nichts merken konnte, jeder musikalische Schritt also notiert und im Konzert wieder – nach Konstruktionsplan – neu gestöpselt werden musste.“ Das konnte im Konzert auch mal eine Viertelstunde dauern. Kein Wunder, dass sich kreative Musiker in diesem Dispositiv auf Dauer nicht wohl fühlten, mögen die Experimente unter privaten Studiobedingungen auch noch so spannend gewesen sein. In folgenden Jahren trennten sich die Wege von elektronischer Avantgarde, Jazz und progressiver Rockmusik wieder. Zurück blieben Tondokumente in den Archiven, die an die Aufbruchsstimmung und vielleicht auch an uneingelöste Versprechen erinnerten.

War nicht schon das „Dauner // Dauner“-Album, das Wolfgang Dauner 2013 gemeinsam mit seinem Sohn Flo produzierte, ein deutlicher Hinweis darauf, dass vom Archiv-Material noch immer ein großer Reiz ausgeht? Mit „Elektronische Mythen“ hat Wolfgang Dauner diesen retrofuturistischen Reiz in einen entschieden kreativen Impuls umgemünzt. Ganz ungefährlich ist die Sache nicht, wenn man sich klar macht, dass die Synthesizer-Experimente um 1970 heute ungefähr so weit entfernt klingen wie der Big Band-Sound von Glenn Miller um 1970 geklungen haben muss. Wer die windelweiche Selbstmusealisierung von Kraftwerk in den vergangenen Jahren irritiert verfolgt hat, wird verstehen, wenn der Kulturtheoretiker Mark Fisher schreibt: „ Was letztlich Nostalgie so unerträglich macht, ist die verbreitete Tendenz, die Vergangenheit zu überschätzen.“ Wolfgang Dauner vermeidet diese »Nostalgie-Falle«, indem er seine elektronischen Studien der 1970er Jahre zum aktuellen Hier-und-Jetzt in Beziehung setzt und auf Tragfähigkeit überprüft. Das geschieht gleichermaßen ernsthaft und augenzwinkernd. Dem Archivmaterial ist eine historisch gewordene Lust am Experiment eingeschrieben, aber im Laufe der Dreiviertelstunde von „Elektronische Mythen“ wird mit und zu dem Archivmaterial improvisiert. Es findet gewissermaßen mit elektronischen und akustischen Mitteln eine Live-Übermalung des eigenen Archivmaterials statt, das sich dadurch auch selbst wieder verändert. Dass auf dem Parcour von „Elektronische Mythen“ auch ein paar künstlerische Stationen (Weather Report mit dem Bass-Spiel von Jaco Pastorious; George Duke; Santanas „Welcome“; Bob James; „Fourth World“) und auch Sackgassen der Musikgeschichte angesteuert werden, dass es mal in Richtung imaginärer Folklore und E-Musik, mal in Richtung von perkussiver Reduktion, betont süsslichem Ambient, muskulösem Fusion oder funktionalem Dancefloor morpht, nimmt für das Konzept ein. Damit diese ungewöhnliche Zeitreise für den heutigen Hörer nicht zu abstrakt und fordernd gerät, haben Wolfgang und Flo Dauner dramaturgisch ein paar Ruhezonen eingebaut, damit man sich auch mal etwas zurücklehnen kann, um den staunenswert transparenten Gesamtsound zu genießen, bevor der nächste Haken geschlagen wird. Trotzdem wird das Songformat konsequent zugunsten einem musikalischem Drift mit großem dramaturgischem Bogen aufgegeben. Zusammenfassend lässt sich sagen: Es geht bei „Elektronische Mythen“ nicht so sehr darum, historisch nicht realisierte und realisierte Möglichkeiten einer mit elektronischem Gerät experimentierender Musik nostalgisch und etwas sentimental Revue passieren zu lassen, sondern vielmehr darum, aus heutiger Perspektive einen sehr wohl historisch informierten Impuls an der Schnittstelle von Improvisation und Neuer Musik zu setzen. Dass dieser Impuls offen, widersprüchlich und sperrig bleibt und sich dem heutigen Hörer nicht andient, ehrt Wolfgang und Flo Dauner. Dass Wolfgang Dauner sich solch forschenden Unternehmungen im Vorfeld des nahenden 80. Geburtstages widmet, spricht allerdings Bände. Ulrich Kriest (Musikkritiker)



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